Neue Presbyter*innen gewinnen
Am 18. Februar 2024 ist die nächste Kirchenwahl in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Frauen und Männer stellen sich zur Wahl für das Amt einer Presbyterin bzw. eines Presbyters. Im November 2023 müssen die Kandidatinnen und Kandidaten feststehen.
In Gesprächen mit Gemeindeverantwortlichen habe ich oft gehört: Wir finden keine Menschen, die bereit sind, dieses Amt zu übernehmen. Hier zeigt sich eine große Not. Manche Gemeinden haben schon die Anzahl der Presbyterstellen bis zum Erlaubten reduziert. Das verringert das Problem aber nur bis zur nächsten Wahl. Und durch die Mehrarbeit für weniger Verantwortliche wird das Amt nicht attraktiver für potenzielle Neue.
Ich sehe die Aufgabe, neue Frauen und Männer für unsere Presbyterien zu finden, nicht ganz hoffnungslos. Allerdings ist es zu spät, erst im Sommer vor der Wahl damit zu beginnen. Spätestens jetzt – ein Jahr vorher – muss es losgehen.
Zehn Thesen
Vor ein paar Jahren gab es eine Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD zu den Kirchenwahlen in der Hannoverschen Landeskirche, der Lippischen Landeskirche und unserer EKvW. Unter anderem wurden dabei als Ergebnis 10 Thesen formuliert als Voraussetzungen für eine Kandidatur zum Presbyterium:
Grundvoraussetzungen:
- In der Gemeinde beheimatet sein
- Positives Bild von der Art des Pfarrers / der Pfarrerin
- Vorstellung, an Veränderungen und Prozessen in der Gemeinde aktiv mitwirken zu können
Nebenvoraussetzungen
- Erfahrung im Ehrenamt
- Aufforderung zur Kandidatur aufgrund persönlicher Kompetenzen
- Klare Vorstellung von der Tätigkeit im Presbyterium (Wie groß ist das Paket?)
- Geklärte Anforderungen an die Kandidaten (Jeder nach seinen Fähigkeiten)
- Professionelle Arbeit des Presbyteriums
- Wahlen als Legitimation und Bestätigung
- Heterogene Zusammensetzung des Presbyteriums (Vielfalt erwünscht)
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Hat die zweite Grundvoraussetzung etwas mit Art und Arbeit der Hauptamtlichen zu tun (und gerade Kasualien bieten hier eine Chance für Neue) und ist die dritte leicht zu vermitteln, weil das Presbyterium die Leitung der Gemeinde ist, scheinen mir besonderes Gewicht auf der ersten Grundvoraussetzung und auf der ersten Nebenvoraussetzung zu liegen.
Wer ist in der Gemeinde beheimatet bzw. hat gute Kontaktflächen zur Gemeinde? Und:
Wie gelingt es, diese Menschen in einem gewissen Maß in ehrenamtliche Verantwortung hineinzunehmen?
Deshalb liegt der Beginn der Kandidatensuche weit vor der Wahl. Spätestens direkt nach der Wahl beginnt die Vorbereitung für die nächste Wahl. Wie können wir Menschen, denen wir begegnen, ein gewisses Gefühl von Heimat in der Gemeinde vermitteln? Und wie führen wir sie – vielleicht nur punktuell – in ehrenamtliche Verantwortungsübernahme ein?
Ein Jahr vor der Wahl muss es wirklich losgehen
Und dann, spätestens ein Jahr vor der Wahl, muss es wirklich losgehen mit den ersten Gedanken zu den neuen Presbyterinnen und Presbytern.
Meine wichtigsten Vorschläge:
1. Bilanz im Presbyterium ziehen
Am besten macht man es jedes Jahr, aber unbedingt ein Jahr vor den nächsten Kirchenwahlen: Eine Bilanz der Arbeit im Presbyterium ziehen. Es ist wichtig, gemeinsam auf die letzte Wahlperiode zurückzublicken.
Es hilft dazu:
- eigene Klarheit darüber zu gewinnen, ob man sich wieder zur Wahl stellen will.
- für Gespräche mit potenziellen neuen Presbyter*innen besser Auskunft geben zu können.
- die Sitzungskultur des Presbyteriums zu verbessern.
Zwei mögliche Abläufe für eine Bilanz der Presbyteriumsarbeit, eine kürzere und eine etwas längere, finden Sie hier:
2. Mögliche Fragen klären
Das Wichtigste bei der Kontaktaufnahme mit möglichen neuen Presbyter*innen ist das persönliche Gespräch. Nicht die Pfarrerin muss es führen, das kann auch jeder andere Presbyter machen. Aber auf einige Fragen sollte jede antworten können. Diese Fragen können in einer Sitzung gemeinsam vorbesprochen werden:
- Warum sollte ich/jemand bereit sein, dieses Amt anzunehmen?
- Welche Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten habe ich als Presbyter*in?
- Wieviel Verwaltungsarbeit kommt auf mich zu?
- Wieviel Zeit muss ich investieren?
- Was bringt es mir, dieses Amt zu übernehmen?
- Was nützt es anderen, wenn ich es tue?
3. Neue Kanditat*innen finden
Wie kommt man nun auf neue Kandidat*innen?
Die Einen sagen, wir müssen bei den Menschen suchen, die in der Gemeinde auftauchen. Dabei bleibt man dann oft im “Inner Circle”.
Die Anderen sagen, wir müssen nach den Kompetenzen schauen. Wer hat Ahnung von Bauangelegenheiten oder Finanzen? Aber warum sollte jemand seine Zeit für die Gemeinde investieren, wenn er keinen Kontakt dorthin hat?
Ich empfehle, beides zu tun. Meiner Meinung nach geht das gut mit MindMaps. Nehmen Sie in die Sitzung zwei große Plakate. Schreiben Sie auf das eine in die Mitte „beheimatet und Potenzial“, auf das andere „Welche Kompetenzen brauchen wir?“
Und nun wird gesammelt. Nehmen Sie sich zuerst Zeit für das erste Plakat. Denken Sie besonders an Menschen, die eher noch „locker beheimatet“ sind. Die sich vielleicht bei besonderen Events oder Projekten engagieren oder ansprechbar sind; vielleicht auch jemand, der in der KiTa zeigt, dass ihm oder ihr das Evangelische der KiTa wirklich wichtig ist. Die Kasualien (Taufe, Trauung, Beerdigungen) sind gute Gelegenheiten, Menschen zu entdecken, denen Gemeinde wichtig ist. Auch wenn sie bisher nicht so oft auftauchen. Manch einer hat hier eine in der Phase der Jugend oder jungen Erwachsenenzeit abgebrochene religiöse Sozialisation, die jetzt wieder aufgenommen werden kann. Welche dieser vielen Menschen, die uns da einfallen, haben das Potenzial, im Presbyterium mitzuarbeiten?
Wichtig für die MindMap ist, sich Zeit zu nehmen. Je länger man darauf schaut, es wachsen lässt, auch mal ein kurzes Schweigen aushält, desto eher erlebt man Überraschungen: „Ach, da fällt mir doch noch xy ein!“
Dann kommt die zweite MindMap: Welche Kompetenzen brauchen wir eigentlich? Organisation, Bau, Finanzen, Geistliches Leiten, Diversität, Mission? Wer fällt uns da ein? Wer kann dieses oder jenes oder sorgt dafür, dass Männer und Frauen, Jugend und Alter und alles dazwischen, die Gemeindegebiete und Milieus vertreten sind? Wer kann gut darauf achten, dass wir nicht zum Vorstand verkommen, sondern ein geistliches Leitungsgremium bleiben?
Wenn beide MindMaps vorliegen, ist am Interessantesten die Schnittmenge der beiden. Gibt es Namen, die hier und da auftauchen?
4. Schnuppern hilft
Wenn es dann Interessenten gibt und die ersten Gespräche geführt wurden, kann man die Kandidat*innen zu einem Meeting mit anderen (ehrenamtlichen und amtierenden) Presbyter*innen einladen, um Fragen nach Aufwand und Anforderung zu klären. Ebenso schön fände ich es, eine oder zwei (öffentliche) Sitzungen zum Schnuppern anzubieten. Einfach mal dabei sein, bevor man sich für eine Kandidatur entscheidet, und die (hoffentlich professionelle) Sitzungskultur kennenlernen.
5. Stellenanzeigen
Ich halte nicht viel von Stellenanzeigen für neue Presbyter*innen. Genauer gesagt bin ich skeptisch bei der Veröffentlichung solche Anzeigen. Kaum jemand wird sich daraufhin melden, und wenn doch, taucht die Frage nach der Eignung auf. Ich bin dagegen sehr für das Erstellen einer Stellenanzeige, weil es hilft, Grundfragen zu klären: Wer sind wir? Was suchen wir? Was bieten wir?
Vielleicht ist es ja möglich, eine Stellenanzeige auszuarbeiten, die man dann aber gar nicht veröffentlicht.
Ich bin gespannt auf viele neue Presbyter*innen.