Vielfalt als Bereicherung wahrnehmen

Fachtag zu muslimischen Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen

Ein Fachtag blickte auf Chancen und Herausforderungen, die durch die Beschäftigung von Muslim*innen in kirchlichen Einrichtungen gegeben sind. Deutlich wurde dabei: Fortschritte sind vor allem in der katholischen Kirche erkennbar, doch religiöse Vielfalt wird noch nicht immer als Bereicherung wahrgenommen.

Neidisch erkennt Prof. Dr. Jakob Joussen, Professor für Arbeitsrecht an der Ruhr-Universität und Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), an, dass die katholische Kirche einen wesentlichen Schritt weiter ist als seine eigene Kirche. Denn in der neuen Fassung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes, die seit November vergangenen Jahres in der katholischen Kirche gültig ist, ist es klar ausgedrückt: „Alle Mitarbeitenden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein.“

Ebenso sieht es Dr. Klaus Klother, zuständig für christliche Unternehmenskultur bei der Katholischen St. Paulus-Gesellschaft, einem Krankenhausverband in Dortmund. Für das christliche Profil einer kirchlichen Einrichtung sei nicht entscheidend, welche Religion der oder die einzelne Angestellte habe, sondern der Träger der Einrichtung sei für die christliche Identität der Einrichtung verantwortlich. Mit diesem Perspektivwechsel hat die katholische Kirche einen Paradigmenwechsel eingeläutet, den die evangelische Kirche mit ihrer Loyalitätsrichtlinie bisher nicht vollzogen hat. Doch sowohl Joussen als auch Klother mussten einräumen, dass in der Praxis der katholischen Kirche der Paradigmenwechsel noch längst nicht anerkannt sei. Oft führe eine dezidiert religiöse Identität eines muslimischen Bewerbers eher zu Zweifeln an seiner Anstellungsfähigkeit, statt die religiöse Vielfalt als Bereicherung für die Arbeit anzusehen.

Überraschend war der Perspektivwechsel, den Dr. Idris Nassery, Professor für Islamische Normenlehre an der Universität Paderborn, einnahm. Er legte dar, dass sich islamische Rechtsgelehrte schon im 10./11. Jahrhundert mit dem Thema beschäftigten, ob Muslime für Nicht-Muslime arbeiten dürften. In der Tat bejahten muslimische Gelehrte dies, vorausgesetzt, die Muslime würden nicht zu Handlungen gezwungen, die nach muslimischem Recht als verboten gälten, also etwa zum Trinken alkoholischer Getränke.

In vier Workshops konnte das Thema des Fachtags vertieft werden. Zwei Erzieherinnen aus der ersten interreligiösen Kita „Abrahams Kinder“ aus Gifhorn erläuterten ihr Konzept und zeigten auf, wie Muslim*innen an der religionspädagogischen Arbeit beteiligt werden könnten. In einem anderen Workshop wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine multireligiöse und spirituelle Unternehmenskultur gestaltet werden könnte. In der Öffentlichkeit wird ein möglicher Konflikt oft mit dem muslimischen Kopftuch verknüpft. Auch hierzu wurde ein Workshop angeboten, in dem unter anderem eine muslimische Altenpflegerin aus ihrem Alltag berichtete. Ein weiterer Workshop debattierte über den Begriff der Loyalität, der vor allem im evangelischen Bereich immer noch entscheidend ist. Kritisch wurde dort angemerkt, dass die Frage nach der Loyalität muslimischer Mitarbeiter*innen immer ein implizites Misstrauensvotum enthalte.

Neben den vielen positiven Fortschritten, die in der evangelischen und katholischen Kirche erzielt worden seien, gab es auch kritische Stimmen: Ist es nicht vielmehr der Fachkräftemangel, der die Kirchen zur Kurskorrektur zwinge, und nicht scheinbar neue theologische Erkenntnisse? Müsste nicht auch vom Arbeitgeber Loyalität, und zwar gegenüber den Angestellten, verlangt werden? Müsste nicht auch einer / einem Angestellten, der offiziell Kirchenmitglied ist, mehr Verbundenheit mit christlicher Tradition abverlangt werden als nur das Kirchensteuermerkmal auf der Steuerkarte?

Der Fachtag „Christliches Profil und muslimisches Personal“ fand am 8. Mai in der Katholischen Akademie Schwerte statt. Eingeladen hatten das oikos-Institut für Mission und Ökumene der westfälischen Kirche, der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, das Erzbistum Paderborn und die Islamische Akademie NRW e.V. Die Beiträge des Fachtags werden voraussichtlich im August als epd-Dokumentation erscheinen.

 

Diesen Beitrag teilen:

Vielfalt als Bereicherung wahrnehmen

Fachtag zu muslimischen Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen

Ein Fachtag blickte auf Chancen und Herausforderungen, die durch die Beschäftigung von Muslim*innen in kirchlichen Einrichtungen gegeben sind. Deutlich wurde dabei: Fortschritte sind vor allem in der katholischen Kirche erkennbar, doch religiöse Vielfalt wird noch nicht immer als Bereicherung wahrgenommen.

Neidisch erkennt Prof. Dr. Jakob Joussen, Professor für Arbeitsrecht an der Ruhr-Universität und Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), an, dass die katholische Kirche einen wesentlichen Schritt weiter ist als seine eigene Kirche. Denn in der neuen Fassung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes, die seit November vergangenen Jahres in der katholischen Kirche gültig ist, ist es klar ausgedrückt: „Alle Mitarbeitenden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein.“

Ebenso sieht es Dr. Klaus Klother, zuständig für christliche Unternehmenskultur bei der Katholischen St. Paulus-Gesellschaft, einem Krankenhausverband in Dortmund. Für das christliche Profil einer kirchlichen Einrichtung sei nicht entscheidend, welche Religion der oder die einzelne Angestellte habe, sondern der Träger der Einrichtung sei für die christliche Identität der Einrichtung verantwortlich. Mit diesem Perspektivwechsel hat die katholische Kirche einen Paradigmenwechsel eingeläutet, den die evangelische Kirche mit ihrer Loyalitätsrichtlinie bisher nicht vollzogen hat. Doch sowohl Joussen als auch Klother mussten einräumen, dass in der Praxis der katholischen Kirche der Paradigmenwechsel noch längst nicht anerkannt sei. Oft führe eine dezidiert religiöse Identität eines muslimischen Bewerbers eher zu Zweifeln an seiner Anstellungsfähigkeit, statt die religiöse Vielfalt als Bereicherung für die Arbeit anzusehen.

Überraschend war der Perspektivwechsel, den Dr. Idris Nassery, Professor für Islamische Normenlehre an der Universität Paderborn, einnahm. Er legte dar, dass sich islamische Rechtsgelehrte schon im 10./11. Jahrhundert mit dem Thema beschäftigten, ob Muslime für Nicht-Muslime arbeiten dürften. In der Tat bejahten muslimische Gelehrte dies, vorausgesetzt, die Muslime würden nicht zu Handlungen gezwungen, die nach muslimischem Recht als verboten gälten, also etwa zum Trinken alkoholischer Getränke.

In vier Workshops konnte das Thema des Fachtags vertieft werden. Zwei Erzieherinnen aus der ersten interreligiösen Kita „Abrahams Kinder“ aus Gifhorn erläuterten ihr Konzept und zeigten auf, wie Muslim*innen an der religionspädagogischen Arbeit beteiligt werden könnten. In einem anderen Workshop wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine multireligiöse und spirituelle Unternehmenskultur gestaltet werden könnte. In der Öffentlichkeit wird ein möglicher Konflikt oft mit dem muslimischen Kopftuch verknüpft. Auch hierzu wurde ein Workshop angeboten, in dem unter anderem eine muslimische Altenpflegerin aus ihrem Alltag berichtete. Ein weiterer Workshop debattierte über den Begriff der Loyalität, der vor allem im evangelischen Bereich immer noch entscheidend ist. Kritisch wurde dort angemerkt, dass die Frage nach der Loyalität muslimischer Mitarbeiter*innen immer ein implizites Misstrauensvotum enthalte.

Neben den vielen positiven Fortschritten, die in der evangelischen und katholischen Kirche erzielt worden seien, gab es auch kritische Stimmen: Ist es nicht vielmehr der Fachkräftemangel, der die Kirchen zur Kurskorrektur zwinge, und nicht scheinbar neue theologische Erkenntnisse? Müsste nicht auch vom Arbeitgeber Loyalität, und zwar gegenüber den Angestellten, verlangt werden? Müsste nicht auch einer / einem Angestellten, der offiziell Kirchenmitglied ist, mehr Verbundenheit mit christlicher Tradition abverlangt werden als nur das Kirchensteuermerkmal auf der Steuerkarte?

Der Fachtag „Christliches Profil und muslimisches Personal“ fand am 8. Mai in der Katholischen Akademie Schwerte statt. Eingeladen hatten das oikos-Institut für Mission und Ökumene der westfälischen Kirche, der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, das Erzbistum Paderborn und die Islamische Akademie NRW e.V. Die Beiträge des Fachtags werden voraussichtlich im August als epd-Dokumentation erscheinen.

 

Diesen Beitrag teilen: