Syrien

Christinnen und Christen zur Situation in Syrien und im Libanon

Neben den kriegerischen Auseinandersetzungen in Gaza und Israel wird auch die Situation im Libanon und in Syrien immer schwieriger und unübersichtlicher. In dieser Rubrik möchten wir Berichte von Kirchen bzw. Christinnen und Christen zur Verfügung stellen, die ein näheres Bild der Lage vor Ort widergeben.

Wie Christinnen und Christen in Syrien auf das Weihnachtsfest blicken

Von Claudia Rammelt

Assad ist gestürzt. Dieser Umbruch dominiert die Nachrichten in den letzten Tagen. Große Hoffnungen sind mit diesem Sturz verbunden, Hoffnungen, die seit vielen Jahren gehegt werden, dass sich demokratische Strukturen in Syrien etablieren können. Eingewoben in diese Hoffnungen ist die Angst, dass sich genau das nicht verwirklicht.

Die Christinnen und Christen Syriens genossen als Minderheit unter Assad weitgehende Rechte. Daher hatten die verschiedenen christlichen Gemeinschaften gelernt, sich mit dem System zu arrangieren. Ehrerbietungen gegenüber dem Machthaber stießen bei „westlichen“ Augen nicht selten auf Skepsis.

Die dschihadistischen Hintergründe der Übergangsregierung, aber auch die Vielzahl islamistischer Gruppen im Land bereiten den Christ*innen nunmehr Sorge: Welchen Platz werden sie unter den neuen Machthabenden finden? Werden sich die verschiedenen Gruppierungen gegenüberstehen und die Christ*innen zwischen die Fronten geraten?

So beobachtet die Organisation CAPNI im Nordirak genau, was ihren Partner*innen in Syrien passiert. Ihr Leiter Emmanuel Youkhana kann bisher positiv resümieren: „Sie berichteten, dass die Milizen den christlichen Kirchen Garantien und Zusicherungen gegeben hätten und dass sie nicht angegriffen würden. Sie forderten die Christen auf, in Aleppo zu bleiben, und versicherten ihnen, dass sie in Sicherheit seien. Sie bestätigten auch, dass es zu keinen Übergriffen gekommen sei, mit Ausnahme des Vandalismus an einem Weihnachtsbaum durch einige Personen, woraufhin die Anführer der Milizen eingegriffen hätten, um die Angelegenheit zu klären, den Schaden zu beheben und den Baum wieder aufzustellen.“

Auch die Stimmen aus den protestantischen Kirchen unterstreichen das: „Seit ihrem Einmarsch in Aleppo haben die bewaffneten Gruppen den Bürgern, einschließlich der Minderheiten und der Christen, versichert, dass sie keine Angst haben müssen und dass ihnen kein Leid zugefügt wird, da das Ziel der Operationen einzig und allein der Sturz des Regimes ist.“ (Joseph Kessab, Generalsekretär der Nationalen Evangelischen Synode von Syrien und Libanon, NESSL)

Monsignore Jihad Nassif aus der maronitischen Kirche hört derweil von seinem Wohnhaus aus israelische Bomben in einem Waffenlager einschlagen. Und er hofft, dass die Waffen endlich für immer schweigen. Die letzten Jahre waren mehr als herausfordernd für alle Menschen im Land. Wer konnte, hat Syrien verlassen. Er bemühte sich in vielfältiger Weise um Unterstützung derer, die Medikamente benötigten oder um die nackte Existenz bangten, weil kein Heizstoff oder keine Lebensmittel mehr vorhanden waren. Vereint ist Nassif  in der Hoffnung auf ein Syrien, in dem alle Minderheiten, ihren Glauben in Frieden und Freiheit ausleben können.

Joseph Kessab bittet alle Partner für den nunmehr herausfordernden Prozess, ein neues Syrien entstehen zu lassen, um Unterstützung: „Wir appellieren an unsere Partner […] weiterhin für Syrien und sein Volk zu beten. Wir bitten Sie eindringlich, sich in Ihrem Land für die Zukunft Syriens einzusetzen und dafür zu sorgen, dass diese Zukunft ein Zufluchtsort der Sicherheit, der Integration und der Freiheit für Christen wird, ihren Glauben ohne Unterdrückung und Verfolgung zu leben. Es ist an der Zeit, sich mit der Zukunft der Christen in Syrien zu solidarisieren.“

Dr. Claudia Rammelt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied des landeskirchlichen Unterausschusses „Naher und Mittlerer Osten“. Seit ihrem Studium in Beirut pflegt sie enge Kontakte nach Syrien und in den Libanon. 

Hoffen auf Frieden, Wiederaufbau  und Gerechtigkeit

Innerhalb von wenigen Tagen hat sich die Situation in Syrien schlagartig verändert. Nachdem Rebellen zuerst die Stadt Aleppo eingenommen hatten, folgten kurze Zeit später die Städte Hama und Homs. Die Flucht des Diktators Baschar al-Assad nach Moskau bedeutete das Ende des von vielen Syrern verhassten Regimes. Die Lage im Land und auch weitere Entwicklung bleiben zurzeit jedoch unklar.

Am Neuaufbau des Landes wollen Christinnen und Christen mitwirken. Alle Menschen im Land sollen unabhängig von Religion, Konfession oder Glauben künftig in Sicherheit leben können. In einem Gebet für Syrien, welches Gustav-Adolf-Werk online veröffentlicht worden ist, werden der Wunsch nach Frieden und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zum Ausdruck gebracht.

Herr, wir beten um Frieden – einen Frieden, der Wunden heilt, Spaltungen überbrückt und das Vertrauen zwischen allen Gruppen wiederherstellt. Möge Dein Geist jede Entscheidung der Regierenden und jeden Schritt der Bürger in Richtung Versöhnung und Einheit leiten.”  Und weiter wird darin für eine Nation gebetet, “in der alle Menschen – Christen, Muslime und andere – in Harmonie leben, Gerechtigkeit walten lassen und an den Segnungen von Wohlstand und Freiheit teilhaben.”

Das Gebet im Wortlaut gibt es hier: Gebet für Syrien nach dem Ende des Assad-Regimes – Glaube verbindet

Wie die Zukunft des Landes aussieht, bleibt abzuwarten.

Das Bild zeigt Pfarrer Haroutune Selimian aus Aleppo. Foto: GAW

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